„Der Papst ist weg – die Ignoranz bleibt“
DIETMAR NEUWIRTH (Die Presse)
... Selten wurde offenbar, wie mechanisch, hohl, geistlos und abseits jeder Realität manchmal die sogenannte politische Debatte funktioniert. Euphemistisch gesagt: Wie sehr die Fähigkeit zur selektiven Wahrnehmung perfektioniert wurde. Deutlicher formuliert: Wie groß die Ignoranz und Intoleranz gegenüber allem ist, was dem Mainstream widerspricht. Wie gering das Unvermögen, zu hören, hinzuhören geworden ist.
Könnte es womöglich gar sein, dass sich weniger die katholische Kirche in einer Krise befindet als die heutige Gesellschaft insgesamt? Dass die langen Kolonnen von Minus-Zahlen in einschlägigen Kirchen-Statistiken auch als eine vielleicht schmerzhafte, aber insgesamt hilfreiche Abkehr von Quantität in Richtung Qualität zu lesen sind? Wenn das über Jahrhunderte christlich geprägte und sozialisierte Europa schon die Botschaft des Christentums so gar nicht mehr zu verstehen imstande ist, wie viel größer muss da das Nicht-Verstehen anderer Religionen wie beispielsweise des Islam sein?
Der Papst ist also seit gestern Abend zurück im Vatikan. Die 56 1/2 Stunden waren geprägt von vielen großen und kleinen Gesten, von der merkbaren Zuneigung dieses Papstes für Österreich und vor allem von seinem festen Willen, der kleiner gewordenen Herde Stärkung und Orientierung zu geben – und von großen Missverständnissen. Die katholische Kirche als mittlerweile manchmal völlig allein gelassener Verteidiger humanitärer und europäischer Werte wird ob ihres Einsatzes nicht nur nicht mehr gewürdigt, sondern auch bei noch so großem Bemühen der Amtsträger auch kaum verstanden. Man darf um die Zukunft des Kontinents getrost besorgt sein.
Zum Volltext: http://www.diepresse.com/home/meinung/kommentare/leitartikel/328914/index.do
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