Leserbrief in den Salzburger Nachrichten vom ersten Juni 2007 von Dr. Paul Zulehner über die Verweigerung von Erzbischof Dr. Alois Kothgasser, eine Ehrung aus den Händen von LH Gabi Burgstaller entgegenzunehmen, weil diese sich vehement für die Abtreibung einsetzt.
Erzbischof – letzter Sozialist?
Die Position, die EB Kothgasser vertritt, ist weit sozialistischer als jene von Landeshauptfrau Burgstaller und ihrer SPÖ.
Für die Schwachen einzutreten ist sozialistisch: Der Erzbischof steht vorab für das schwächste Glied im Überlebenskonflikt, das Kind.
Dessen Menschenleben ist unantastbar, unabhängig von irrationalen Fristen (wie drei Monate, für die es wirklich keine wissenschaftlichen Argumente gibt).
Zu den Schwächeren gehört sodann die Frau in der Konfliktschwangerschaft. Sie ist, wenn sie eine Abtreibung erwägt, in einer schwerstwiegenden Position. Nach einer internationalen Studie treiben Frauen ab,
✩ wenn sie die zeugenden Männer (nur ein kleiner Teil von ihnen sind Ehemänner) im Stich lassen;
✩ wenn und weil ein weiteres Kind ein Armutsrisiko ist;
✩ wenn das Kind die berufliche Karriere beeinträchtigt.
Sozialistisch wäre, den strukturellen und nicht bloß den akuten Druck von den Frauen zu nehmen. Dazu brauchte es:
✩ eine qualitätsgesicherte Beratung: Die Kirche fordert sie schon seit der Einführung des Straffreiheitsgesetzes, aus dem inzwischen leider schleichend ein Abtreibungsrechtfertigungsgesetz geworden ist. Qualitätsgesicherte Beratung für Frauen mehrt deren Entscheidungsfreiheit und könnte viele auch davor bewahren, sich teure postabortive seelische Traumata zuzuziehen.
✩ Dazu brauchte es eine wirksame Männerpolitik, die es Männern möglich macht, neue Väter zu sein.
✩ Erforderlich wäre eine Familienpolitik, die die Gedeiharbeit mit Kindern gesellschaftlich attraktiv macht und finanziell honoriert.
✩ Schließlich wäre unabdingbar eine Arbeitsplatzpolitik, die Männer und Frauen nicht benachteiligt, wenn sie Kinder bekommen und großziehen wollen.
Ohne solche kinder- wie elternfreundliche Verhältnisse von einer freien Entscheidung der Frauen zu reden, ist unhaltbar. Gesellschaftspolitische Förderung der Entscheidungsfreiheit von Frauen wäre hingegen konsequente Frauenfreundlichkeit. Statt nun solche Verhältnisse engagiert zu verändern, was eben sozialistisch wäre, wird der leichteste Weg gewählt: das Kind wird getötet.
Statt die sozialen Probleme zu beseitigen, wird unsozial das Kind beseitigt. Das ist die billigste und zudem völlig liberalistische Lösung: also genau das Gegenteil von sozialistisch.
Offenbar ist – in Abwandlung eines Nenning-Zitats über Johannes Paul II. – der Erzbischof in Salzburg der letzte Sozialist.
Paul M. Zulehner
1130 Wien
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